Moment der Gewissheit - Erfüllte Hoffnung
Können wir, ja dürfen wir dieses Jahr einfach Weihnachten feiern?
Ist uns nach feiern zu Mute, wenn wir in die Welt hineinschauen, die wiedermal so von Unruhe und Unfrieden, von Krieg und Hass, von Unbarmherzigkeit und Unversöhnlichkeit erfüllt ist.
Nicht nur in der „großen“ Welt, auch in unserer Gesellschaft, mitten unter uns gibt es soviel Unzufriedenheit und Neid, wenig Bereitschaft auf den anderen zuzugehen und zuzuhören.
Dann noch das viele persönliche Leid, das viele Menschen in unserer nahen Umgebung erleben mussten und damit zu kämpfen haben, damit umzugehen und irgendwie weiterzuleben. Wieviel Krankheit, Einsamkeit, Verzweiflung und Ausgrenzung treiben Menschen in die innere und oft auch äußere Isolation.
Mit diesen vielleicht ehrlichen aber auch düsteren Gedanken machte ich mich ans Werk für das nahende Fest zu dekorieren und meine Krippe aufzubauen. Möchte ich so meine Krippe überhaupt aufbauen?
Als ich die Figur der Maria hervorholte hielt ich inne und stutze…
Natürlich kenne ich „meine“ Maria. Doch als ich sie jetzt in Händen hielt, stach mir vor allem ihr Gesichtsausdruck, ihre Haltung bewusst ins Auge. Sie strahlte eine innere Ruhe, eine Glückseligkeit aus. Ein stilles Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ganz natürlich, liebevoll und sorgenlos breitete sie ihre Arme über ihrem neugeborenen Kind aus. Ihre Augen schienen versunken in der Betrachtung des Geschehenen, ganz offen, glückselig, ohne Murren, Verdrossenheit oder Angst.
Der Gedanke schoss mir in den Kopf, ob der Künstler eine Ahnung hatte, was Maria gerade hinter sich hatte? Hatte er wirklich ihre wahren Gefühle eingefangen? War sie nicht am Ende ihrer Kraft? Ein Kind empfangen, ohne nennbaren (weltlichen) Vater… die Angst vor der Reaktion Josefs… Volkszählung… der lange beschwerliche Weg… die ständige Ablehnung… nur ein Stall für die nahe Geburt, zum Ausruhen, vor der Kälte…
Der Künstler hier hatte wohl keine Ahnung, wie es Maria damals wohl wirklich gegangen ist.
Passt diese Darstellung für unsere Zeit? Kann ich diese augenscheinlich „romantisch“ „liebliche“ Krippe dieses Jahr wirklich aufstellen?
Ich nahm die Marienfigur meiner zweiten Krippe zur Hand… ich war erstaunt! Eigentlich der selbe Ausdruck, das selbe Strahlen…
Ich kam ins Grübeln… Gibt es eine Krippendarstellung, die etwas anderes zeigt?
Sicherlich gibt es die verschiedenen Krippen und ihre Ausrichtungen. Aber Maria… wird sie in der Krippe nicht immer genau mit diesem Ausdruck, diesem Strahlen, dieser inneren Ruhe gezeichnet?
Noch einmal nahm ich meine erste Marienfigur zur Hand, setzte mich und betrachtete sie…
Langsam begann ich sie, mit anderen Augen neu zu sehen und fing an für mich zu begreifen:
Was Maria uns in der Krippe nahe bringen will, was wohl alle Künstler zu zeigen versuchen, ist keine liebliche, romantische Verklärung von Weihnachten. In dieser Darstellung der Maria ist ein Moment eingefangen, welcher uns zeigen will, was Maria in ihrem Herzen an der Krippe damals wirklich erleben und im Herzen ergreifen durfte: Einen Moment der absoluten Gewissheit! Unser Hoffen hat sich erfüllt!
Die Künstler der Krippen führen uns nicht eine Maria vor Augen, die zurückblickt, vielmehr lassen sie uns in ihr Herz blicken. Maria ist in der Gewissheit angekommen und verharrt erfüllt in diesem Moment:
„Gott ist da! Es ist gut! Er hat alles Hoffen und Sehnen erfüllt. Er, unser Retter hält meine Hand, liegt vor mir in der Krippe.“ Sie kann lächeln, strahlen und innerlich ruhig sein, denn Sie ruht in Gottes Gegenwart. Seine Liebe liegt greifbar vor ihr. Diese tiefe Gewissheit des Glaubens lässt uns ihr Blick erahnen.
Brauchen wir in diesem Jahr nicht genau diese Gewissheit? Egal was geschehen ist und noch geschehen wird: Wir sind geliebt! Wir sind erlöst! Unser Sehnen ist erfüllt, weil ER in die Welt hinein geboren ist. Ja wir dürfen, wir müssen sogar auch und gerade in diesem Jahr wieder Weihnachten feiern, weil die Welt nur von dieser Gewissheit heil werden kann; weil nur die Botschaft dieser erfüllten Sehnsucht die Herzen aufreißen, Versöhnung ermöglichen und eine wirkliche Zukunft schenken kann.
Mit Freuden stelle ich meine Krippe auf und kann Sie nur ermutigen dies auch zu tun.
Wir feiern gemeinsam dieses erfüllende Fest der wahren Liebe Gottes!
Natürlich danke ich allen mit ehrlichem Herzen, die sich auch im vergangen Jahr mit ganzen Engagement und Herzblut in unserer Marianischen Männerkongregation Freising mit eingebracht, mitgearbeitet und -gewirkt haben, damit genau diese heilende und Zuversicht schenkende Botschaft unter uns aufleuchten konnte.
Von Herzen wünsche ich Ihnen allen, dass auch Sie neu erleben dürfen, was Maria uns in der Krippe vor Augen führt, wenn sie uns in ihr Herz blicken lässt:
Den Moment der Gewissheit, dass alles Hoffen und jede Sehnsucht erfüllt ist - weil Gott da ist! Auch für Dich und mich!
Ihr Pfarrer Stephan Rauscher