Marianische Männerkongregation

Freising

Montag, 03. Januar 2022

Vorwort auf 2022 Empfehlung

geschrieben von  Stephan Rauscher

Liebe Sodalen,

eine der schönsten Traditionen rund um das Weihnachtsfest ist, wie ich persönlich finde, das Aufstellen einer Weihnachtskrippe. Nicht nur in Kirchen und öffentlichen Gebäuden, sondern auch in fast jedem christlichen Haushalt findet sich eine figürliche Darstellung der Ereignisse um die Geburt Christi. Diese christliche Tradition der Weihnachtskrippe wurde gerade in den letzten Jahren wieder mehr ins Bewusstsein gerückt und neu entdeckt – in Regensburg entsteht ein Krippenmuseum, das Freisinger Dommuseum verfügt über viele besondere volkstümliche und sehenswerte Exponate, ja selbst Papst Franziskus widmete 2019 der Bedeutung der Weihnachtskrippe ein Apostolisches Schreiben („Admirabile signum“).

Für manche mag es vielleicht ein volkstümlicher kitschiger Brauch sein, wer sich aber ausführlicher damit beschäftigt, wird sich mehr und mehr von der durchaus tiefen theologischen Verwurzelung der Weihnachtskrippe überzeugen können.

Vom Ursprung dieser Tradition her gesehen ist das besondere einer Weihnachtskrippe nicht einfach nur das bloße Darstellen der Geburt Christi als ein geschichtliches, in der Heiligen Schrift überliefertes Ereignis, sondern dass man diese Begebenheit in den verschiedensten Kulturen durch alle Zeiten hindurch in die jeweilige zeitgeschichtliche Lebenswelt hereinholt. Die Geburt Jesu findet so in der Krippendarstellung eben meistens nicht im damaligen orientalischen Umfeld statt, sondern die eigene Landschaft, das Dorf oder die Stadt in der man lebt, wird zum Ort der Menschwerdung Gottes. Am beeindruckendsten ist dies künstlerisch wohl den neapolitaner Krippenbauern gelungen, welche ihre ganze Lebenswelt um die Krippe herum versammeln. (Eine der wertvollsten, sehenswertesten und in dieser Qualität umfangreichsten Krippensammlung der Welt befindet sich übrigens im bayerischen Nationalmuseum in München.)

Schon als Kind hat es mich jedes Jahr fasziniert und meine Blicke oft Stunden lang gefesselt, die verschiedensten Krippendarstellungen und die damit verbundenen Intentionen der Erbauer zu ergründen.

Warum schreibe ich Ihnen das alles?

Ich möchte Sie in dieser Weihnachtszeit in besonderer Weise einladen, die eigene Krippe oder auch die verschiedensten Krippen in unserer Gegend neu zu betrachten und zu erkunden. Denn die Botschaft der Krippe, ihre ureigenste Intention kann gerade in dieser verrückten, oft belastenden und herausfordernden Zeit, die wir alle gerade durchleben müssen, ein wirklicher Anker und ein Hoffnungszeichen sein.
Wenn wir dieses Jahr Weihnachten begehen, auf welche Weise auch immer, dann sagt uns der Blick in die Krippe, dass wir nicht eine bloße Erinnerung an Vergangenes feiern, sondern dass Gott in unsere Wirklichkeit hin geboren wird – nicht nur damals, sondern jetzt, heute, in diesen Tagen!

Wir feiern einen Gott, der damals wie heute in die Angst, Hoffnungslosigkeit und Verlorenheit der Menschen hineingeht. Die immer neu tröstende und aufbauende Botschaft von Weihnachten ist für mich die tragende Zuversicht, dass ER da ist, dass ER mitgeht, dass ER mich auffängt.

In vielen Krippenbauten wurde ein Riss abgebildet, der sich mitten durch die ganze Darstellung zog.
Erleben wir nicht gerade zutiefst diese Bedeutung? Erleben wir nicht gerade in diesen Tagen, wie sich ein Riss durch unsere Welt zieht - eine doch oft zerbrochene, verunsicherte Welt?

Viele Krippen zeigen Ruinen in denen Maria das göttliche Kind zur Welt bringt.
Erfahren auch wir, wie vieles in unserem Leben plötzlich buchstäblich zur Ruine wird? Durchleben wir nicht gerade in diesen verunsicherten Zeiten unsere eigene Unzulänglichkeit, ein Scheitern, in dem wir ehrlich erkennen müssen, wie zerbrechlich unser Leben und unsere umgebende Umwelt, in die wir hineingestellt sind, ist?

Der Blick aber in die Krippe zeigt mir gerade jetzt, dass in diese Zerbrochen- und Verlorenheit Gott selbst von Anfang an hinein geht. In der Weihnachtsbotschaft dürfen wir diese tröstliche Gewissheit wieder erfahren, dass unser Gott dort neue Hoffnung bringt, wo alles verloren scheint. „Er zerbricht das geknickte Rohr nicht, den glimmenden Docht löscht er nicht aus.“ (vgl. Jes. 42,3) „Er ruft die Beladenen und richtet auf.“ (vgl. Mt 11,28) Er selbst geht hinein in unsere Existenznot, in das Scheitern der Menschen und ER „macht alles neu“. (vgl. Offb 21,5)
Von Herzen wünsche ich uns allen, dass wir in diesen Festtagen und im kommenden Jahr diese befreiende und aufbauende Botschaft von Weihnachten neu entdecken und erleben. Lassen wir uns von diesem göttlichen Geheimnis neu berühren, das uns in der Geburt des Kindes in Bethlehem aufstrahlt. Er will auch heute „alles neu machen“ und denen, die auf IHN vertrauen Kraft und Hoffnung schenken. Getragen von dieser Gewissheit, die der Glaube an IHN schenkt, können wir auch an dieser Schwelle zuversichtlich und hoffnungsvoll in ein neues Jahr schreiten.

Von Herzen wünsche ich Ihnen so mit einem Blick in die Krippe
Gottes reichen Segen und ein zuversichtliches neues Jahr 2022

Ihr Präses
Dekan Stephan Rauscher