Marianische Männerkongregation

Freising

Sonntag, 04. Februar 2018

Predigt zum Hauptfest 2018

geschrieben von  Prof. Dr. Ludwig Mödl

Predigt beim Gottesdienst der Marianische Männerkongregation

am 4. Februar 2018 in Freising
von Prof. Dr. Ludwig Mödl

In Garching hat vor vier Monaten ein Förderverein zusammen mit der Pfarrei und der Stadtgemeinde eine große Marienfigur auf einem öffentlichen Platz aufgestellt, welche die Patronin Bayerns darstellen soll. Sie zeigt eine über zwei Meter hohe edle Frauengestalt in eng anliegendem langen Kleid, auf ihrem rechten Arm sitzt ein liebenswürdiges Jesuskind, das mit der einen Hand sich am Hals der Mutter hält, mit der anderen in die Ferne zeigt. In der linken Hand hält Maria uns einen Stern entgegen, den sie vom Strahlenkranz über ihrem Haupt abgenommen hat. Fünf weitere Sterne liegen schon auf dem Boden, in denen die Kernworte unseres Grundgesetzes eingeschrieben sind: "Friede und Gerechtigkeit in der Welt." - "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Alle Gruppen in der Gemeinde haben sich zu dieser Figur bekannt; denn hier stellt Maria allen vor Augen, was nötig ist, dass ein Gemeinwesen funktioniert. Ob Katholik, ob Protestant, ob Moslem oder Agnostiker: Darin müssen wir übereinkommen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nur so können Friede und Gerechtigkeit existieren.
Wie kann uns denn diese Botschaft gerade Maria künden? Zwei Gründe mag es dafür geben; denn alles, was wir über Maria sagen, zielt in zwei Richtungen: die eine sagt etwas aus über Christus, und die andere über uns und unsere Berufung. Schauen wir uns kurz diese Aussagen an: Zum ersten haben wir zwei Dogmen aus der alten Zeit, zum Zweiten zwei Dogmen aus der Neuzeit.

I.

Die christusbezogenen Mariendogmen sind unter den Stichworten "Gottesmutter" und "Jungfrau" gefasst.

Gottesmutter

Als die Bischöfe im Jahre 431 in Ephesus diskutierten, ob man Maria nur "Christusgebärerin" oder "Gottesgebärerin" nennen dürfe, war dies ein heiß umstrittenes Thema in der Öffentlichkeit. Was stand dahinter? Die eigentliche Frage lautete: Wer ist Christus für uns? Welche Qualität hat die von ihm gebrachte Erlösung? Ist Maria nur "Christusgebärerin", dann hat sie einen hoch qualifizierten Menschen geboren, der, wie im Arianismus in der Tendenz angesagt war, durchaus in den göttlichen Bereich hineinreicht, da von dort adoptiert. Aber die Erlösung, also sein Werk der Versöhnung, hat nur einen analogen Charakter. Im letzten bleibt sie Menschenwerk, von Gott wohlwollend angenommen. Ist Maria aber Gottesgebärerin, dann ist in Jesus Christus die göttliche Natur dergestalt anwesend in der Welt gewesen, dass alles, was er war und gelebt hat, vornehmlich auch sein Leiden und Sterben, mit göttlicher Qualität versehen ist, sosehr die menschliche Natur dabei vollgültig mitgewirkt hat. Dann ist der Mensch, der zu Christus gehört, wirklich berufen, in den göttlichen Bereich hinein erlöst zu werden. Der Titel "Gottesgebärerin" oder "Gottesmutter" hebt die göttliche Natur Jesu hervor und betont somit die Qualität unserer Erlösung durch ihn.

Jungfrau

Einen ähnlich Christus bezogenen Schwerpunkt hat die zweite Aussage über Maria als der Jungfrau. Zunächst müssen wir diese Aussage in den kulturellen Kontext der frühen Kirche stellen. Lukas und Matthäus betonen dies ja in ihren Kindheitserzählungen - Lukas, indem er bei der Verkündigungsszene ausdrücklich sagt, dass Maria nicht wusste, wie es geschehen sollte, da sie keinen Mann erkannte, also Jungfrau war. Matthäus stellt an das Ende der Geschlechterfolge, die mit Joseph als dem Nachkommen Davids endete, eine ausführliche Fußnote, in welcher er erklärt, wie Jesus als Davidsohn bezeichnet werden kann. Maria ist also Jungfrau. In der damaligen Zeit wurde eine Frau von ihrem Vater oder ihrem Mann her definiert.
In diesem Kontext war es verständlich, wenn eine Frau, die zu keinem Mann gehörte, sagen konnte: Ich gehöre Gott! In diesem Sinn können wir die Rede von Maria als der Jungfrau verstehen. Dies trifft umso mehr zu, als sie Gottes Werkzeug bei der Menschwerdung des göttlichen Wortes war. Sie muss ganz zu Gott gehören, da sie die Mutter seines Sohnes wurde.
Noch in einem zweiten Sinn ist die Rede von Maria als der Jungfrau im Kontext der Zeit zu deuten. Die Alten waren der Meinung, ein Kind kommt ausschließlich aus dem Samen des Mannes - wie beim Samen der Pflanzen. Die Frau ist die Hegerin. Der Samen kommt in ihren Schoß und wächst dort heran. Das Kind nimmt zwar auch Eigenschaften von der Mutter an, doch diese ergeben sich aus der körperlichen Nähe. Eigentlich ist das Kind aber Kind des Vaters. Eine Frau gebiert ihrem Manne ein Kind, sein Kind. Das Kind ist das Kind des Vaters.
In diesem Denkhorizont müssen wir nun die Rede von der jungfräulichen Gottesmutter verstehen. Maria hat nicht dem Joseph ein Kind geboren, sondern Gott. Nicht Joseph ist der Vater Jesu, sondern göttlicher Geist hat ihn in Maria eingepflanzt. Jesus ist also wesenhaft göttlich, obwohl er von Maria Menschliches angenommen hat, so dass er auch echt Mensch ist. Damit ist nochmals betont, was die beiden alten Mariendogmen eigentlich sagen wollen: In Jesus, dem Menschen, ist wirklich göttliche Wirklichkeit ins Menschliche gekommen.

II.

Zwei Dogmen der Neuzeit drücken dies aus, das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis und das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.

Unbefleckt Empfangene

Ersteres, 1854 von Pius IX. propagiert, ist wohl gegen die liberalistische Tendenz der Zeit gerichtet, welche die Umstände der unvollkommenen Welt - theologisch mit dem durchaus problematischen Begriff Erbsünde benannt - als unabdingbar vorgegeben und nur durch die Tüchtigen zu überwinden angegeben werden (die Guten werden siegen, die Schwachen sollen untergehen). Das Dogma besagt, dass Maria im Vorgriff auf die Erlösungstat Christi von Anfang an von dieser Erbsünde befreit war. Das heißt: Maria als das vornehmste Glied der Kirche ist nicht dem unabdingbaren "Gesetz" des Stärkeren unterworfen. Also gibt es in der Kirche jemand, der von vorne herein schon erlöst ist. Damit ergibt sich: Die Kirche hat ein Mittel gegen die Erbsündlichkeit, ja sie ist das Mittel dagegen. Im I. Vatikanum wird dies dann formuliert, wenn gesagt ist: In Glaubens- und Sittensachen ist die Kirche souverän - mit der Andeutung: und nicht irgendwelche Staaten oder Mehrheiten. Sprecher dieser Souveränität ist der Papst (und wie das II. Vatikanum ergänzt) das Kollegium der Bischöfe.

Aufgenommen in den Himmel

Das Dogma von 1950 führt konsequent jenes von 1854 fort, wenn es sagt: Maria ist als ganzer Mensch mit allem, was sie ausmacht, in den Bereich des Göttlichen eingegangen. Dieses ist formuliert gegen die Kommunisten, die sagten: Der Mensch stirbt mit dem Tod total, was von ihm bleibt, sind seine Werke. Dagegen wird - am Beispiel Mariens durchgeführt - betont: Jeder einzelne hat eine bleibende Zukunft im göttlichen Bereich, und zwar mit allem, was ihn ausmacht, also auch mit seinen Werken. Was an Maria ins Ziel gekommen ist, das erwartet jeden Glaubenden.
Somit werden in den zwei neuzeitlichen Dogmen anhand Mariens Aussagen über uns Menschen gemacht. Das II. Vatikanum spricht dann darüber hinaus noch von Maria als dem Urbild des Glaubens. Wie im alten Bund Abraham Urbild des Glaubens war, so ist im neuen Bund Maria Typ eines gläubigen Menschen. Und als solche ist sie Fürbitterin, also Mitbeterin. Bete mit mir und auch an meiner statt! Diese Funktion hat Maria im Leben vieler Gläubigen. Und so bitten auch wir: Hilf uns beten!

Wir verehren also Maria mit Blick auf Jesus, dem göttlichen Menschen und mit Blick auf uns, die wir berufen sind, dass unser Leben bleibenden Charakter im Bereich des Göttlichen erhält. So besitzt jeder von uns eine Würde, die ihm vom Ewigen geschenkt wird. So kann jeder mit Maria beten: "Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd (seines Knechtes) hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Der Mächtige hat Großes an mir getan. Sein Name ist heilig.